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„Wer selbst nicht leuchtet, sollte wenigstens reflektieren können“

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Bürger:innen,

ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber bei mir wirkt die Ratssitzung von letzter Woche, diese Sternstunde der Demokratie und Partizipation, noch nach. Was haben wir erlebt?

Da wäre zum einen die Kurzpräsentation eines Konzeptes für die Nachnutzung des Freibades und zum anderen die Nicht-Präsentation eines Nicht-Konzeptes. Und nicht das alleine beschreibt die Unterschiedlichkeit. Denn das eine verfolgt einen ökologischen Ansatz, das andere einen wirtschaftlichen.

Das eine Konzept ist detailliert, liefert valide Zahlen, enthält eine nachvollziehbare Planung und ist mit Bürger:innenbeteiligung von der DIN FLEG entwickelt worden. Besten Dank nochmal an die Bürger:innen und die DIN FLEG für Ihren Einsatz! Das andere Konzept, also das Nicht-Konzept, lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Alles kann, nichts muss, wo was hinkommt ist eigentlich egal, vielleicht hier, vielleicht da, Fischtreppe, Bachlauf und was wir sonst noch so gehört haben, machen wir auch, bisschen Sponsoring dazu, eine Prise Adventuregolf, aber was wir garantiert sagen können, ist, dass es so in jedem Fall billiger als das Bürger:innen-Konzept der DIN FLEG wird und Steuererhöhungen vermeidet.

War wohl etwas zu viel Wein beim Mittagessen nach der Aufsichtsratssitzung. Erklärt aber auch irgendwie alles, was mit der Eishalle und dem DINamare so los ist.

Nun gut, “billig” ist das Stadtwerke-Konzept auf jeden Fall, das haben wir letzte Woche deutlich und wiederholt gesehen. Wenn es allerdings um die Kosten geht, ist es deutlich teurer als der Entwurf der DIN FLEG. Und um die Kosten geht es SPD, CDU und UBV ja. Fangen wir mal an: Wir haben die Kosten für den Vertrauensverlust gegenüber der Politik in der Stadtgesellschaft. Wir haben die Kosten für den Vertrauensverlust der Verwaltung gegenüber der Politik. Wir haben die Kosten für den Imageschaden der Stadtwerke. Die Liste kann beliebig fortgeführt werden.

Was bleibt unterm Strich? Politikverdrossenheit, Vertrauensverlust und Zweifel an Demokratieverständnis, Beteiligung, der Teilhabe an politischen Prozessen, Transparenz und politischer Meinungsfindung. Ganz schön teuer! Kostenloser Tipp: Vielleicht solltet ihr wirklich nochmal über diese Kosten nachdenken.

Wer war nochmal der Souverän? Noch ein kleiner Tipp für CDU, SPD und UBV: Fängt mit “Bürger” an und hört mit “innen” auf. Hat eine Fraktion sogar im Namen, nur ohne “innen” – Grüße aus den 80ern an dieser Stelle. Bürger:innen, das waren übrigens auch diese komischen Wesen, die bei der letzten Ratssitzung hinter Euch saßen, denen Ihr den Rücken permanent zugedreht habt, denen Ihr nicht zugehört habt, weil eure Handys wichtiger waren. Auch ein schöner Rücken kann entzücken, aber hoffentlich erinnern sich viele bei der nächsten Wahl und ignorieren Euch einfach mal auf dem Stimmzettel.

Mein schönstes Erlebnis war allerdings im Hauptausschuss. Ich durfte was lernen. „Sapere aude!” Werde weise. Ist ja nix Schlechtes. Es hieß dort, man hätte ein falsches Demokratieverständnis und eine falsche Definition von Bürger:innenbeteiligung, wenn man glaube, dass daraus eine Verpflichtung für die Politik zur Umsetzung der Ergebnisse entstehen würde. Und zu welchem Chaos diese falsche Definition oder dieses falsche Verständnis führt, hätte man am Vortag bei der Ratssitzung gesehen.

Ohne das Frischgelernte wirklich schon verarbeitet zu haben, entgegnete ich: „Nö, das Chaos ist nicht durch Bürger:innenbeteiligung oder falsche Definitionen entstanden, sondern durch intransparente Hinterzimmergespräche beim Essen nach Aufsichtsratssitzungen, bei denen zudem noch komische Anträge entstehen.“ Für dieses „Benehmen wie eine offene Hose” möchte ich mich hier im Namen der Dinslakener Politik entschuldigen. Ich bin wirklich dankbar für das Gelernte und möchte an dieser Stelle nochmal ausdrücklich „Danke, Heinz Wansing“ sagen. Diese Belehrung hätte ich gerne am Vortag bei der Ratssitzung gehört, aber da wart ihr ja zu sehr mit Schweigen, Candy Crush und Kaffeeholen beschäftigt.

Ist ja auch einfacher, sowas zu sagen, wenn nur 5 statt 100 Leute im Zuschauer:innenbereich sitzen. Außerdem hätte man sich ja umdrehen und sich den Bürger:innen zuwenden müssen. So viel Stress muss echt nicht sein. Reicht ja, wenn man das alle 5 Jahre zur Kommunalwahl machen muss.

Vielleicht habt ihr, liebe SPD, CDU und UBV, aber auch geschwiegen, weil Ihr Euch spätestens bei der Nicht-Präsentation des Nicht-Konzeptes der Stadtwerke gefragt habt, ob das wirklich diesen Scherbenhaufen in Sachen Vertrauen in die Politik wert gewesen ist. Und Euer neuer Antrag macht die Sache nicht besser. Die Stadtwerke wollen es nicht und sie können es nicht. Anders kann man die dilettantische, lustlose Präsentation und das Nicht-Konzept nicht erklären.

Noch habt Ihr die Chance, Euren Fehler zu korrigieren und nach Gewissen und nicht nach Fraktionszwang zu entscheiden. Daher beantragen wir geheime Abstimmung – Spaß muss sein. Und bitte hört auf, politische Satire zu machen! Dafür sind wir gewählt worden. Wir tätigen ja auch keine Maskendeals oder machen irgendwas mit Cum-Ex. Da haben Eure Parteioberen weitaus mehr Kompetenz. Obwohl es in der letzten Woche für den Verstand oft besser war, an Scholzheimer zu leiden und diese ganze Realsatire zu vergessen. Kann man sich nicht ausdenken, muss man dabei gewesen sein. In diesem Sinne, meine sehr geehrten Bürger:innen: Kommt zu den Rats- und Ausschusssitzungen und schaut uns öfter auf die Finger. Beteiligt Euch!

Für die Politik hier vorne im Plenum gilt vor der Abstimmung allerdings: Wer selbst nicht leuchtet, sollte wenigstens reflektieren können. In diesem Sinne hoffe ich auf eine breite Zustimmung für das DIN-FLEG-Konzept und die Bürger:innenbeteiligung. Vielen Dank!

[Frank Spieker, Fraktionsvorsitzender der Partei Die PARTEI Dinslaken; Ratssitzung am 27.09.2022]