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Offener Brief zum Umgang mit der Abberufung der Gleichstellungsbeauftragten

In Deutschland gibt es 83 Millionen Bundestrainer:innen. Mit Blick auf die derzeitigen Reaktionen zur Abberufung von Frau Budahn-Diallo ist für einige Personen im Trainerstab ein weiteres Amt hinzugekommen: das der Richterin bzw. des Richters mit Schwerpunkt Arbeitsrecht. Seit Tagen hallt es durch den virtuellen und realen Raum, dass die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte möglichst schnell wieder auf ihren alten Posten zurückkehren soll. Fast alle Statements suggerieren, nein sie drängen geradezu auf, dass mit Frau Budahn-Diallo auch die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten gestrichen wurde. Dass diese Stelle kommissarisch mit der stellvertretenden Gleichstellungsbeauftragten besetzt ist, findet im emotionalen Aufruhr keinen Platz. Vielmehr könnte man meinen, dass nur eine bestimmte Person qualifiziert ist und frischer Wind und neue Ideen nicht gewollt sind. Sowohl für die aktuelle Vertretung als auch für die künftige Gleichstellungsbeauftragte ist dies kein gutes Signal und ein Start in diese verantwortungsvolle Aufgabe könnte sicher angenehmer sein.

Aktuell werden Diskussionen bzw. das, was man dafür halten könnte, zumindest öffentlich nur einseitig geführt. Als Basis dienen nicht selten komprimierte Zeitungsartikel. Die Kommunikation übernehmen teils (sehr) alte wiederaktivierte und bestehende Netzwerke. Es stellt sich die Frage, warum die in diesen Netzwerken gebündelte Fachkompetenz nicht bereits im Vorfeld genutzt wurde, um z. B. eine Mediation anzustreben. Oder im Rahmen von Selbst- und Fremdeinschätzung etwas mehr Sachlichkeit in den ja schon länger bestehenden Disput zu bringen.

Der Aufschrei nach Solidarität ist natürlich OK, auch, wenn die Masse der Schreienden eine gewisse Diversität in Bezug auf Alter und Geschlecht missen lässt. Aber: Es muss immer um die Sache gehen. Und um die Frage, was das Beste für Dinslaken ist. Das Thema Gleichstellung ist insbesondere für Frauen ein sehr wichtiges Thema, wird doch – auch mit Blick auf die hiesige Lokalpolitik – vieles noch immer von „alten weißen Männern“ gelenkt. Umso wichtiger ist die (Ewigkeits-)Aufgabe der Gleichstellung, nach allen Seiten offen zu kommunizieren, den Fokus zu weiten und gemeinsam Herausforderungen zu meistern.

Es überrascht, dass insbesondere viele verdiente engagierte Frauen gerade in Versuchung geraten, es den „etablierten Herrschaften“ gleichzutun. Sie sind emotional absolut überzeugt von ihrem Standpunkt, dabei jedoch wenig sachlich. Und in den seltensten Fällen sind sie juristisch im Arbeitsrecht geschult und mit den Sach- und Streitthemen betraut. Sonst würden sie wohl im Zuge des Neutralitätsgebotes zunächst die von der Bürgermeisterin bekanntgegebene Faktenlage prüfen, sie ergebnisoffen bewerten und dann beurteilen. Das Vorgehen der Bürgermeisterin muss gewiss mit einem kritischen Auge betrachtet werden. Aber ob die Wortwahl und die Stimmung, mit der dies gerade geschieht wirklich sein muss? Wie wäre es, mal ausnahmsweise konstruktiv miteinander zu reden, anstatt nur übereinander? Die aktuelle Atmosphäre, die Art des Dialogs und der Auseinandersetzung lassen befürchten, dass die „Alte-Herren-Mentalität“ abfärbt und das, was Gleichstellung eigentlich bewirken soll verloren geht und sich schlimmstenfalls in Gleichschritt verwandelt.

Kathrin Stremplowski-Hagedorn, Gleichstellungsbeauftragte Die PARTEI Dinslaken

Jochen Ostermeier, Gleichstellungsbeauftragter Die PARTEI Dinslaken